Als Nachtschützer schaut man oft mit einem Stirnrunzeln auf sehr helle und sehr weiße LED, die nachts durch die Gegend strahlen. Oder man ist erleichtert über schonendere amberfarbene mit einer – wie der Fachmann sagt – niedrigeren Farbtemperatur. Aber, so fragt sich wohl mancher, was genau bedeutet eigentlich der Begriff „Farbtemperatur“? Ist ein hoher Farbtemperatur-Wert wie 4000 Kelvin (K) bei Neutralweiß oder gar mehr als 5000 Kelvin bei Kaltweiß immer „schlecht“ und schädlich? Schadet der Mond mit seinen 4000 Kelvin etwa auch der Nacht? Oder gibt es in der Wirkung dieser Farbtemperaturen einen Unterschied zwischen einer künstlichen und einer natürlichen Lichtquelle wie z.B. einem Himmelskörper?
Ich – Margit Seifert – habe einem unserer erfahrenen Teammitglieder von Paten der Nacht – nämlich Thomas Denner – Fragen zur Farbtemperatur gestellt und viel Wissenswertes von ihm erfahren. Das Ganze halte ich für so wertvoll, dass ich es hier in diesem BLOG-Beitrag zusammengefasst habe.
Wie definiert man Farbtemperatur?
Die Farbtemperatur ist ein Maß zur quantitativen Beschreibung des Farbeindrucks von Lichtquellen. Dabei vergleicht man den Farbeindruck einer Lichtquelle mit dem eines sogenannten „Schwarzen Strahlers“. Das ist ein (idealisierter) Körper, der das gesamte einfallende Licht absorbiert (schluckt). Durch diese Absorption erwärmt er sich. Mit steigender Temperatur verändert sich seine Farbe von Rot über Orange, Gelb und Weiß bis hin zu einem hellen Blau. Ein Leuchtmittel bekommt dann diejenige Farbtemperatur (Maßeinheit Kelvin) zugewiesen, die der Farbe des Schwarzen Strahlers bei dieser Temperatur entspricht.
Etwas allgemeinverständlicher könnte man auch sagen: Die Farbtemperatur eines Leuchtmittels entspricht dem Farbeindruck eines z.B. glühenden Stücks Metall oder dessen Schmelze mit der jeweiligen Temperatur.
Das Mondlicht hat immerhin fast 4000 Kelvin. Schadet es also der Nacht – ähnlich wie unsere neutralweißen LED-Straßenleuchten?
Grundsätzlich sagt die Farbtemperatur nichts über die spektrale Zusammensetzung einer Lichtquelle aus; sie ist ein Sinneseindruck des Menschen (Farbempfinden). So verfügt z.B. ein Fernseher nur über Rot, Grün und Blau, und trotzdem sieht man jede erdenkliche Farbe, auch sämtliche Weißtöne von 1800K bis 6500K. Unser Gehirn „mischt“ also die Wahrnehmung der Rezeptoren im Auge.
Das Licht des Mondes ist – wie Sonnenlicht oder ein Regenbogen – recht gleichmäßig über die Spektralfarben verteilt. Im gelb-orangen Bereich ist die Intensität am höchsten, im blauen Bereich eher niedrig.
Ganz anders sieht das bei üblichen LED für Beleuchtungszwecke aus: Bei neutralweißen (und noch mehr bei kaltweißen) findet man i.d.R. eine starke Überhöhung beim Blauanteil. Und Insekten (aber auch unsere Netzhaut!) reagieren auf genau diesen Blauanteil.
Obwohl der Sinneseindruck von zwei verschiedenen 4000K-Lichtquellen für den Menschen also der gleiche ist, ist deren spektrale Zusammensetzung und damit ihre Wirkung ganz unterschiedlich.
Manuel Philipp (der Geschäftsführer unserer Paten der Nacht) zeigt in seinem YouTube-Video LED-Straßenlaternen mit 4000 K: Wie Mondlicht und daher unbedenklich? ebenfalls auf, dass nicht die Farbtemperatur entscheidend für die Schädlichkeit einer Lichtquelle ist.
Vielmehr ist es nämlich die Zusammensetzung des abgestrahlten Spektrums; d.h. welche Farbanteile in welcher Intensität vorhanden sind. Maßgeblich ist auch die große Helligkeit vieler LED-Leuchten: bei Straßenleuchten zwischen 5 und sogar 20 Vollmond-Helligkeiten. Das Video erklärt uns außerdem, warum wir – anders als es von der spektralen Verteilung her zu vermuten wäre – den Mond nicht gelb-orange, sondern weißlich sehen: Das Mondlicht ist so schwach, dass die Farbrezeptoren auf unserer Netzhaut (Zapfen) nicht angesprochen werden, sondern nur die lichtempfindlicheren Stäbchen, mit denen wir aber nur Schwarzweiß sehen.
Warum wirkt die Mittags-Sonne mit nahezu 6000 Kelvin nicht so kaltweiß wie ein LED-Auto-Scheinwerfer mit vergleichbarer Farbtemperatur?
Die Sonne hat eine Oberflächentemperatur von etwa 5800 Kelvin (das entspricht gut 5600 Grad Celsius), was in etwa auch ihrer Farbtemperatur entspricht. Das Sonnenscheibchen am Himmel müsste uns folglich kaltweiß erscheinen. Gleichsam dem Licht moderner Kfz-Scheinwerfer, deren Farbtemperatur in einem ähnlichen Bereich liegt. Doch das Sonnenscheibchen erscheint uns nicht strahlend weiß, sondern eher leicht gelblich. Woher kommt diese Färbung?
Vom Weltall aus betrachtet, erscheint die Sonne tatsächlich kaltweiß. Der Auslöser der „Verfärbung“ ins Gelbliche ist nämlich unsere Erdatmosphäre bzw. die Moleküle, aus der sie besteht. Durch diese geht das Sonnenlicht hindurch und wird dabei gestreut und reflektiert – der blaue Anteil des Sonnenlichts am intensivsten. Darum ist der gesamte Himmel um das Sonnenscheibchen herum blau gefärbt (die Intensität des Blau hängt von der aktuellen Zusammensetzung der Atmosphäre ab).
In welcher Färbung uns das Sonnenscheibchen erscheint, hängt von seiner Höhe über dem Horizont ab. Denn je tiefer die Sonne steht, desto länger der Weg des Lichts durch die Atmosphäre bis zu unseren Augen und desto mehr Blauanteile werden seitlich in alle Richtungen weggestreut. Und je weniger Blauanteile in unseren Augen ankommen, desto rötlicher nehmen wir das Sonnenscheibchen wahr.
Steht die Sonne mittags hoch am Himmel, fehlt etwas Blau, und so erscheint uns das Sonnenscheibchen leicht gelblich (statt kaltweiß). Steht sie tief, fehlt mehr Blau, und das Scheibchen erscheint uns in der daraus resultierenden Färbung: (Orange-)Rot. Die Farbtemperatur des Sonnenlichtes variiert also von etwa 3000 Kelvin (wenn sie nah am Horizont steht) bis hin zu etwa 5800 Kelvin (Mittagszeit).
Was ist eigentlich Tageslicht?
Das, was wir als „Tageslicht“ bezeichnen ist, eigentlich eine Mischung aus zwei Sonnenlicht-Komponenten: Die erste Komponente ist das oben beschriebene direkte Sonnenlicht. Die zweite Komponente ist der Anteil des Sonnenlichts, der in der Atmosphäre durch diverse Teilchen diffus gestreut wird. Dieses Licht kann man deshalb auch als „Himmelslicht“ bezeichnen. (Umgangssprachlich wird auch dieser gestreute Anteil oft „Tageslicht“ genannt.)
Beide Komponenten verhalten sich hinsichtlich der Farbtemperatur konträr zueinander: Das direkte Sonnenlicht hat bei Sonnenauf-/-untergang mit ca. 3000 Kelvin eine „warme“ Lichtfarbe (= niedrige Farbtemperatur), mittags hingegen mit ca. 6000 Kelvin eine „kühle“ Lichtfarbe (= hohe Farbtemperatur). Beim Himmelslicht werden in den Dämmerungszeiten die höchsten Farbtemperaturen erreicht (bis über 10000 Kelvin; Stichwort „Blaue Stunde“), zur Mittagszeit die niedrigsten.
Das Tageslicht ist also eine Mischung aus direktem und indirektem (in der Atmosphäre gestreuten) Sonnenlicht. Die resultierende Farbtemperatur des Tageslichtes ist von vielen Faktoren abhängig: Tageszeit (Sonnenhöhe), Witterung, Bewölkungsart, Bewölkungsgrad, Breitengrad, aktuelle Atmosphären-Zusammensetzung (Wassergehalt, Sahara-Staub, Feinstaub, Rußteilchen, usw.). Sie schwankt deshalb im Bereich von etwa 3000 bis 10000 Kelvin.
Kann man als Faustregel für alle künstlichen Lichtquellen sagen: Farbtemperatur größer 3000 Kelvin = relativ hoher Blauanteil?
Das gilt besonders für LED. Doch warum ist das so?
Die frühen LED (Anfang der 1970er-Jahre) hatten eine rote Farbe. Schnell gab es farbige. Allesamt hatten eine geringe Effizienz gemein. Das änderte dann die blaue sowie tiefblaue LED Mitte der 1990er Jahre. Und die war dann die Voraussetzung, hocheffiziente weiße LED zu bauen (wie man sie heute massenhaft kennt und nutzt) sowie durch technische Maßnahmen dann auch solche mit gelblichem Licht. Dies geschieht, indem dieses blaue Licht der LED in einem zweiten Schritt mittels einer Konversionsschicht (Hauptbestandteil Phosphor) in den restlichen Spektralbereich umgewandelt wird. Man könnte sagen, dass das blaue Licht „verteilt“ wird. Je höher nun bei einer LED die Farbtemperatur ist, desto mehr bleibt vom ursprünglichen Blau übrig. Und das heißt: desto höher ist der Blauanteil dieses LED-Lichts. (Leuchtstoffröhren funktionieren ähnlich. Deren Konversionsschicht ist die weiße Beschichtung im Innern der Glasröhre.)
Bei der sogenannten PC-Amber-LED wird der Blauanteil fast vollständig umgewandelt. („PC“ steht übrigens für Phosphor Converted.) Eine reine Amber-LED hätte nur ein schmalbandiges Farbspektrum um den Bernstein-Farbton herum, und man würde damit (wie bei den alten Natrium-Niederdrucklampen) kein Grün oder Gelb erkennen können. PC Amber dagegen hat auch das restliche Spektrum, weshalb man in ihrem Licht alle anderen Farben relativ gut wahrnehmen kann. Übrigens: Ähnlich wie bei der Wahrnehmung von Mondlicht vs. neutralweißer LED „betrügt“ uns unser Auge (oder besser: unser Gehirn) auch beim Vergleich der LED „Amber“ und „PC Amber“: Obwohl deren spektrale Zusammensetzung unterschiedlich ist, sehen ihre Farben für uns ähnlich aus.
Schadet der Blauanteil?
LED-Licht ist deshalb problematisch, weil mithilfe dieser Technik viel Licht von einer sehr kleinen Fläche abgestrahlt wird (hohe Leuchtdichte). Da blaues Licht grundsätzlich energiereicher ist, kann gerade kaltweißes LED-Licht (das ja einen hohen Blauanteil enthält) die Netzhaut schädigen (Stichwort Makuladegeneration). Die Dosis macht hier das Gift. Deshalb ist auch das sehr intensive Sonnenlicht (vor allem auch hier die Blau- bzw. UV-Anteile) potenziell netzhautschädigend.
Kurzum: Sehr hell, hohe Leuchtdichte und viel Blauanteil ist eine definitiv schädliche Mischung für die Netzhaut.
Auch hört man immer wieder von dem Zusammenhang Schlafqualität und (hohem) Blaulichtanteil bei Lebewesen. Hier deutet aber eher die Helligkeit/Intensität des Lichtes auf das „Gift“ hin. Sehr helles gelbliches Licht beeinträchtigt die Schlafqualität ebenso. Hier besteht noch viel Forschungsbedarf. Auch bezüglich der unterschiedlichen Wirksamkeit (und Umfang der Negativwirkung) auf die verschiedenen Lebewesen bezüglich Lichtfarbe, Intensität und Einwirkdauer (Exposition).
Ganz allgemein gilt aber: Je mehr Blauanteile im Spektrum einer hellen Lichtquelle enthalten sind,
- desto stärker die Blendwirkung (das menschliche Auge nimmt bläuliches Licht deutlich intensiver war als gleichhelles gelbliches Licht), was zu einer Sicherheitsgefährdung führen kann
- desto intensiver die Lichtglockenbildung in der Atmosphäre (je bläulicher das abgestrahlte Licht einer Stadt, desto intensiver die Streuwirkung in der Atmosphäre. Gleicher Prozess, der tagsüber durch den Blauanteil im Sinnenlicht zum Himmelsblau führt)
- desto stärker die Anziehungskraft auf Flug-Insekten („Staubsaugerwirkung“ gerade von bläulichen Lichtquellen)
- desto schlechter der Schlaf/die Schlafqualität tagaktiver Lebewesen
Autoren:
- Inhalt und Grundlagen: Thomas Denner, Teammitglied Paten der Nacht und Manuel Philipp, Geschäftsführer Paten der Nacht
- Zusammenfassung: Margit Seifert, Teammitglied Paten der Nacht
Stand: November 2023