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„Heilig‘s Blechle“ – Das Problem mit der gefühlten Sicherheit durch Straßenlaternen

Abschaltung von Straßenbeleuchtung reduziert Kriminalität

Wer sein Auto liebt, sorgt dafür, dass es nachts … im Dunklen steht!

Dieser Zusammenhang mag zunächst irritieren. Schafft doch nächtliche Straßenbeleuchtung mehr Sicherheit – möchte man meinen. Doch eine Studie belegt eine doppelt erhöhte Kriminalitätsrate an Fahrzeugen, die um/nach Mitternacht entlang gut beleuchteter Straßen stehen.

Ein Studienteam unter der Leitung der London School of Hygiene & Tropical Medicine (LSHTM) und der UCL (University College London) untersuchte von April 2004 bis September 2013 Daten zu bei der Thames Valley Police registrierten Straftaten in Verbindung mit Daten, die eine Änderung der Straßenbeleuchtung betrafen. Im Gegensatz zu vorherigen Studien, bei denen die Beleuchtung verstärkt worden war, wurde diese mit reduzierter Straßenbeleuchtung durchgeführt. Den Grund für diese Vorgehensweise erklärt der Leiter der Studie, Dr. Phil Edwards, folgendermaßen: Viele Kommunen in Großbritannien hatten aus Gründen der Energie- und CO2-Einsparung die Beleuchtung in Wohnstraßen und wenig genutzten Straßen ab Mitternacht abgeschaltet – doch das führte zu Sicherheitsbedenken.

Weniger Straftaten an Kfz durch Abschaltung der Straßenbeleuchtung

In dem knapp zehnjährigen Untersuchungszeitraum der Studie wurden 283.275 Straftaten registriert. 28 % davon waren an Fahrzeugen verübt worden. Das Team um Dr. Phil Edwards stellte fest, dass Diebstähle aus Fahrzeugen erheblich seltener an denjenigen Straßen waren, an denen die Straßenlaternen zwischen Mitternacht und 5 Uhr morgens ausgeschaltet wurden. Dort sank die Zahl der Fahrzeugeinbrüche von durchschnittlich zwölf Fällen (pro Straße und Monat) auf nur mehr sechs Fälle (pro Straße und Monat). Auch Diebstähle von Fahrzeugen waren seltener, wenn auch nicht statistisch signifikant.

Für diejenigen Straßenabschnitte, an denen die Beleuchtung zumindest heruntergedimmt wurde, gab es Hinweise auf eine Verringerung der Fahrzeugdelikte. Allerdings war der positive Effekt hier nicht so stark ausgeprägt gegenüber der zeitweisen Komplett-Abschaltung.

Keine Erhöhung der allgemeinen Kriminalität durch Abschaltung der Laternen

Das Studienteam fand keine Hinweise, dass Veränderungen bei der Beleuchtung mit Veränderungen bei Gewaltdelikten, Raub oder Wohnungseinbrüchen einhergingen. Frühere Untersuchungen hatten bereits gezeigt, dass ein Ausschalten der Straßenbeleuchtung in der Nacht die Kriminalität nicht erhöht.

Vor dem Hintergrund, dass bei dieser Studie nur ein Bezirk der britischen Polizei von insgesamt 43 untersucht wurde, besteht nur eine eingeschränkte Aussagekraft. Wenn wir jedoch nach den Gründen für die beobachteten Effekte dieser Studie fragen, scheint es eine Logik zu geben, die auf eine Übertragbarkeit hindeutet.

Warum führt mehr Licht zu mehr Delikten an Fahrzeugen?

Einbrecher fallen mehr auf, wenn Straßenbeleuchtung abgeschaltet ist
Taschenlampenlicht in dunkler Umgebung fällt viel mehr auf als in hellerleuchteten Straßen

Die Ursachen, warum die Fahrzeugkriminalität an beleuchteten Straßen höher als bei Dunkelheit ist, wurden vom Studienteam nicht untersucht.

Wir von Paten der Nacht vermuten die gleichen Gründe wie bei Einbrüchen in Gebäude: Bei Dunkelheit benötigen Einbrecher eine mitgeführte Lichtquelle (z.B. eine Taschenlampe). Auch, um festzustellen, ob sich dort überhaupt signifikante Wertsachen befinden und sich ein Einbruch lohnen würde. Auf der Straße ist das Risiko hoch, dass Anwohner auf dieses sich bewegende Licht aufmerksam werden.

Genau wie bei Wohnungseinbrüchen spielt auch hier der Zeitfaktor eine Rolle. Je schneller ein Auto aufgebrochen ist, umso größer sind die Chancen für den Täter, nicht bemerkt oder gefasst zu werden.

Diese Studie verdeutlicht in jedem Fall, was aus anderen Studien auch schon hervorgegangen ist: es gibt keinen eindeutigen Zusammenhang, dass abgedunkelte Straßen automatisch zu mehr Kriminalität führen. Hier zeigt sich sogar: Intensiver beleuchtete Straßen nach Mitternacht vermitteln eine trügerische Sicherheit.

Parallelen zu Wohnungseinbrüchen: Viel Licht am Haus lädt Einbrecher eher ein

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) erstellt jedes Jahr einen Einbruch-Report. Der Einbruch-Report von 2015, bei dem die Einbrüche auch nach Uhrzeit aufgeschlüsselt wurden, zeigt, dass nachts seltener eingebrochen wird als tagsüber. Einbrecher scheuen die Begegnung mit den Bewohnern und schlagen deshalb lieber zu, wenn diese voraussichtlich nicht zuhause sind.
Einbruch Statistik abhängig von Zeit, GDV-2015
Quelle: Einbruch-Report 2015 der GDV

Wie dem Report zu entnehmen ist, finden nur 14,5 % der Einbrüche zwischen 22 Uhr und 6 Uhr früh statt, aber 57,9 % zwischen 10 und 18 Uhr. Helle Dauerbeleuchtung in den Nachtstunden und während der dunklen Winterzeit erleichtert den Tätern den Zutritt zu Grundstück und Gebäude.

Innenlicht ist noch wirkungsvoller als Außenlicht

Korrekt ausgerichtete Bewegungsmelder, die nicht bei jeder vorbeistreunenden Katze angehen, bieten deutlich mehr Sicherheit. Das Ein und Aus der Beleuchtung schreckt Einbrecher ab und wird von Nachbarn eher bemerkt. Bezüglich dem Thema Licht rät die Polizei seit vielen Jahren, bewusst das Innenlicht in Räumen zu nutzen. Nach dem Zufallsprinzip durch eine Steuerung an- und ausgeschaltet, lässt ein leerstehendes Haus bewohnt aussehen.

Leider ist der – in Urzeiten durchaus gültige – Mythos „Licht bringt Sicherheit“ auch in der Neuzeit immer noch tief in unserem Gefühl verankert. Dabei müssen wir uns klarmachen, dass diese gefühlte Sicherheit – und mag sie sich noch so gut anfühlen – uns im Grunde weniger dienlich ist als eine echte Sicherheit, die sich nicht nur so anfühlt. Diese ist durch viel Licht nach dem Gießkannenprinzip nicht herbeizuführen.

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